08.05.2022
3 min
Muttertag: Mehr als nur Geschenke
Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Mai ist Muttertag. Als Kind war der Muttertag für mich immer der Tag, an dem meine Mutter Frühstück ans Bett bekam und ich und meine Geschwister von meinem Vater den Satz hörten: „Heute darf Mama mal die Füße hochlegen und muss nichts machen, denn heute ist Muttertag.“
Wahrscheinlich lief der Muttertag bei mir zu Hause ähnlich ab wie bei den meisten von uns. Wir bastelten Karten für unsere Mütter, schenkten „Haushaltshilfe-Gutscheine“ und pflückten Blumen oder kauften Blumensträuße. Dass unsere Mütter sich gefreut haben, bezweifle ich nicht, aber ob sie sich manchmal erhofft haben, dass der Muttertag mehr als ein Blumenstrauß und ein Frühstück für sie bedeutet und mehr Aufmerksamkeit auf die tatsächliche Arbeit lenkt, die sie tagtäglich leisten, das wage ich zu vermuten.
Doch woher kommt der Muttertag überhaupt und hat er eine Bedeutung? Ist er eine bloße Marketingstrategie der Blumenhändler, die bestens aufgegangen ist, oder steckt mehr dahinter?
Tatsächlich hat der Muttertag seinen Ursprung in der amerikanischen Frauen*bewegung. Der Muttertag war ursprünglich ein Gedenktag an Ann Jarvis (1832-1905), die Gründerin des Mother´s Day Work Club - eine Organisation, die während des amerikanischen Bürgerkriegs gegründet wurde, um Kriegsverletzte und Witwen zu versorgen. Also ehrenamtliche Care/Sorgearbeit verrichtet durch Mütter.
Wäre es nicht schön, wenn wir uns wieder am Ursprung des Muttertags orientieren und die unsichtbare Arbeit, die viele Mütter jeden Tag leisten sichtbar machen? Unsichtbare Arbeit wie etwa die Betreuung und Erziehung von Kindern, Hausarbeit sowie Pflege von Angehörigen und anderen Personen. Doch warum benötigt dieses Thema überhaupt Aufmerksamkeit und wieso spreche ich in diesem Artikel auch von unsichtbarer Arbeit?
Das liegt daran, dass Care/Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern nicht fair verteilt ist. Für diese Ungleichverteilung wird auch gerne der Begriff Gender Care Gap verwendet. Die Gender Care Gap liegt derzeit in Deutschland bei 52%. Frauen* bringen mit 4:13 Stunden mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer* mit 2:46 Stunden. Grundsätzlich wäre all dies kein Problem, wenn es sich hierbei um eine abgesprochene Verteilung der Arbeit handelt. Allerdings ist dies meist nicht der Fall und das sorgt für finanzielle sowie soziale Folgen, die sich negativ auf die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen auswirken.
Zum Beispiel gehen Frauen* in dieser traditionellen Arbeitsteilung häufiger Teilzeitbeschäftigungen nach und haben deswegen deutlich niedrigere Einkommen als Männer*. Die beruflichen Entwicklungsperspektiven von Frauen* sind begrenzt und bei Trennung oder im Alter sind sie finanziell nicht ausreichend abgesichert. Unbezahlte oder ungesehene Care/Sorgearbeit bringt als größere Probleme mit sich, als sie auf den ersten Blick scheinen und es ist doch ein wenig mehr als nur gefühlte Ungerechtigkeit.
Blumen und Gutscheine sind und bleiben eine schöne Geste zum Muttertag und wer hat sich über ein Geschenk als Zeichen der Wertschätzung denn noch nicht gefreut. Allerdings könnten wir uns am Muttertag auch auf andere Dinge besinnen und zwar auf das, was wir an Müttern eigentlich so toll finden: ihre Weisheit, ihre Energie und vor allem ihre Stärke. Deshalb sollten wir vielleicht, den Muttertag nicht auf herkömmlicherweise feiern, in dem wir einmal im Jahr Dankbarkeit zeigen und der Kommerzialisierung eines weiteren Tages zustimmen, sondern in dem wir auf das große Ganze aufmerksam machen. Auf einen Fehler im System, der Frauen benachteiligt. Wir können den Muttertag feiern, in dem wir nicht nur im klassischen Sinne Mütter feiern, sondern alle Frauen* die sich kümmern und pflegen, weil das in dem System in welchem wir Leben nun mal immer noch hauptsächlich Frauen* sind.
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