02.05.2022

4 min

Carolina Fittipaldi

Carolina Fittipaldi

Ist der Zukunftstag noch zeitgemäß? (ehemals Girls‘ Day / Boys‘ Day)

Junger Mann mit Rucksack geht aus einer Tür

In welchem Jahr ich selbst am „Girls‘ Day“ teilgenommen habe, weiß ich gar nicht mehr so genau, aber es müsste vor ca. 12 Jahren gewesen sein. Ich habe den Tag damals bei einem Energieunternehmen verbracht und fand es vor allem cool, einen Tag lang nicht in der Schule sitzen zu müssen und probeweise arbeiten zu dürfen. Dass ich den Beruf niemals für mich persönlich in Erwägung ziehen würde, wusste ich allerdings schon vor diesem „Arbeitstag“. Was wir genau gemacht haben, dazu ist mir – bis auf eine Betriebsführung am Anfang – nichts mehr im Gedächtnis geblieben. Es war insgesamt mäßig interessant.

Als ich mich dieses Jahr erneut mit dem Zukunftstag auseinandersetzte, fand ich einen alten Online-Artikel aus der Kreiszeitung inspirierend, in dem es darum ging, dass der Zukunftstag nicht zeitgemäß ist. Wohlgemerkt, wurde der Artikel im Jahr 2014 verfasst und hat mich daher erst recht zum Nachdenken angeregt. Das Hauptargument gegen den Zukunftstag sei, dass dieser keine echte Berufsorientierung biete und zu sehr an die klassischen Rollenbilder gebunden sei. Auch ich hatte nach dem Lesen des Artikels kurz den Eindruck, die Berufe würden überhaupt nur durch solche Aktionen wie dem Zukunftstag immer noch klassisch weiblich oder klassisch männlich assoziiert. Doch ist das wirklich so und ist der Zukunftstag mittlerweile überflüssig? Ich wünschte, es wäre so.

Dass der Tag keine echte Berufsorientierung bietet, dem kann ich leider zustimmen. Denn die Auswahl der zur Verfügung stehenden Unternehmen ist limitiert und meine damaligen Wunschunternehmen wurden abgelehnt. Die Begründung: Dieses Berufsfeld sei nicht „männlich genug“. Und das klingt tatsächlich äußerst verrückt.

Die ideale Zukunft ist noch weit entfernt 

Fakt ist, dass die klassischen Berufsrollenbilder heute immer noch bestehen. Und diesen Denkmustern entgegenzuwirken, ist durchaus sinnvoll. Genau das ist das Ziel des Zukunftstages: Den Kindern zu zeigen, dass sie in ihrer Zukunft auch Berufe ergreifen könnten, die ihnen im ersten Moment aufgrund ihres Geschlechts vielleicht gar nicht von Lehrer*innen oder Eltern vorgeschlagen werden. Und dieser Punkt ist das eigentliche Problem der Gesellschaft: Dass einem 12-jährigen Jungen* gar nicht erst gesagt wird, was schön daran ist, in der Pflege oder im Kindergarten zu arbeiten. Oder dass einem Mädchen* nicht erklärt wird, wie ein Windrad gebaut und instand gehalten wird.

Der Zukunftstag soll ebendort ansetzen und neben den Kindern und Jugendlichen selbst auch die Eltern, Pädagog*innen und Unternehmer*innen sensibilisieren, dass jeder Beruf unabhängig vom Geschlecht betrachtet werden sollte. Daher ist es weiterhin äußerst wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass z.B. soziale Berufe nicht eher etwas für Frauen* sind, weil sie vermeintlich besser mit Menschen umgehen könnten und mehr Empathie besäßen, sondern dass alle Geschlechter alle Berufe ausüben können. Denn diese und ähnliche Aussagen spiegeln starre Geschlechtsbilder wider und sind Ausdruck der patriarchalen Strukturen, in denen wir bis heute leben. Diese Strukturen haben auch zur Folge, dass der Frauenanteil in sozialen Berufen seit Jahren bei über 70 % liegt. Der Zukunftstag kann diesen Strukturen entgegenwirken und darauf aufmerksam machen, dass Frauen* und Männer* jeden Beruf ausüben dürfen und dies nichts mit ihrem Geschlecht zu tun hat.

Solange allerdings selbst auf öffentlichen Seiten eines Kultusministeriums geschrieben wird, dass „Mädchen so die Möglichkeit [haben], typische Männerberufe […] kennen zu lernen“, ohne dass weiter auf junge Männer* eingegangen wird, die sogenannte typische Frauenberufe kennenlernen sollen, sind wir leider noch sehr weit von dieser idealen Zukunft entfernt.

Selbst wenn ich nicht viel von den Inhalten vor 12 Jahren mitgenommen habe – ich weiß noch, dass mir nach diesem Tag klar war: „Ich kann Energietechnikerin werden, wenn ich will, genauso wie alles andere, was mich interessiert.“

Die Kritikpunkte an dem Konzept des Zukunftstages kann ich nachvollziehen. Dennoch braucht es konkrete Handlungen und ebensolche Aktionen wie diesen Tag, um das gewünschte Ziel zu erreichen: Berufsmöglichkeiten unabhängig vom Geschlecht zu betrachten.

Dass der Girls‘ & Boys‘ Day in „Zukunftstag“ umbenannt wurde, ist dabei ebenfalls eine gute Entwicklung, da die strikte Geschlechtertrennung (die auch von der Autorin des Kreiszeitung-Artikels zu Recht kritisiert wurde) somit etwas aufgeweicht wird und schon durch den Namen nun wirklich alle Personen einschließt. Ein großer Vorteil ist dabei nämlich auch, dass der Name nicht mehr an binäre Geschlechter verknüpft ist. Der Zukunftstag ist genau das, was er aussagt: Ein Tag für die Zukunft. Idealerweise für eine Zukunft, in der wir so einen Tag wirklich nicht mehr brauchen werden.

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* Wir sprechen zwar von Frauen und Männern, sind uns aber der Vielfalt von Geschlechtern bewusst und fordern eine bessere Verhütung für alle Menschen.

Quellenverzeichnis